„HR mal wieder neu denken?“ – Plädoyer für einen Kulturwandel im Personalbereich

Entwicklungstendenzen des Personalbereichs

Die Bedeutung der Personalarbeit hat sich im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte grundlegend gewandelt (Bratscher, 2008 S.92). Der Personalbereich in deutschen Unternehmen, Human Resources (HR) genannt, hat zahlreiche Suchbewegungen zur Identitäts- und Profilierungsfindung unternommen. Die Auswertung einschlägiger Publikationen lässt folgende Entwicklungstendenzen erkennen: Ende der 70er,  Anfang der 80ger Jahre folgte dieOrganisation des Personalwesens funktional-zentralistischen Prinzipien. Die immer umfänglicher werdenden Aufgaben der Personalabteilung wurden in Teilbereiche aufgegliedert, die von jeweils spezialisierten Mitarbeitern unter der Verantwortung einer einheitlichen Personalleitung zentral für das gesamte Unternehmen wahrgenommen wurden. Als Vorteil dieser Organisationsform galt zum einen die Gewährleistung von vergleichbaren Regelungen für alle Mitarbeiter, zum anderen eine übersichtliche Kompetenzverteilung und schnelle Aufgabenentwicklung durch fachliche Spezialisierung. Die Kritik an dieser Organisationsform bezog sich in jenen Jahren auf das überzogene Verwaltungs- und Ressortdenken der Funktionsspezialisten, die mangelnde Berücksichtigung von Interdependenzen zwischen einzelnen Teilaufgaben, die Zersplitterung der Betreuungsfunktion gegenüber Mitarbeitern und Linienvorgesetzten, die mehrere Ansprechpartner hatten. Nicht zuletzt wurde eine gewisse ‚Gleichmacherei‘ kritisiert, die bei zunehmender Größe und Differenzierung des Unternehmens verstärkt zu ungemessenen Lösungen und damit mangelnder Akzeptanz führen konnte. „Zumindest bis zum Beginn der neunziger Jahre, möglicherweise bis heute, scheint es das vorherrschende Organisationsprinzip geblieben zu sein“ (Bahnmüller/Fisecke, 2003 S. 10).

Mit der Dezentralisierung von Unternehmen gingen Veränderungen der inner- und zwischenbetrieblichen Koordinations- und Steuerungsmechanismen im Sinne betriebsinterner Märkte einher. Diese Entwicklung hatte maßgebliche Rückwirkungen auf Identität, Status als auch auf die Handlungsorientierung des Personalbereichs. Die Hinwendung des Personalwesens zum „Dienstleister“ war eine Konsequenz daraus. Formen dezentraler Personalarbeit  standen und stehen zum Teil noch heute im Fokus: Integrationsmodelle, Rückdelegationen an die Linie, virtuelle Personalabteilungen, Personalreferentensysteme nach dem Holding-Prinzip, Wertschöpfungscenter etc. Innerhalb der Organisationen sollte der Personalbereich die Chance nutzen, den reaktiven Habitus der traditionellen Personalarbeit abzustreifen. Zu spät, zu aufwendig und mit erheblichen Funktionsverlusten tätig zu werden sollte ein Ende finden. Der Personalbereich hatte die Aufgabe, mit der technischen Planung nicht nur gleichzuziehen, sondern in Vorlauf zur technischen Planung zutreten und die Initiativrolle bei der Organisations- und Unternehmensentwicklung zu übernehmen. Vor allem sollte das Personalwesen endlich „strategisch“ werden. „Die Zeit schien reif für ein integratives, proaktives und vor allem strategisches Personalmanagement. Eben weil die „Ressource Mensch“, durch die arbeitskraft- und organisationszentrierten Rationalisierungsstrategien untermauert, zu einem immer wichtigeren Kapital der Unternehmen wurde, galt es als geradezu fahrlässig, dem Personalressort den ihm gebührenden Einfluss zu verwehren“ (Ebenda. S.12). Das Personalwesen im 21. Jahrhundert war keine nachgelagerte betriebliche Teilfunktion mehr, die sich durch kurzfristig reaktives Verhalten auszeichnet (Bratscher, 2008, S. 92).

Mit zunehmender Dezentralisierung wurden jedoch die Integrationsfunktion des Personalbereichs und damit der Zusammenhalt des Ganzen in Gefahr gesehen. In einigen Unternehmen hatten diese Befürchtungen  Re-Zentralisierungstendenzen und die Stärkung der zentralen Funktion von HR im Zentrum zur Folge.  In großen Unternehmen wurde beispielsweise eine zentrale Führungskräfteentwicklung und damit ein konzerneinheitliches System für alle beteiligten autonomen Unternehmenseinheiten konzipiert und durchgeführt. Die Gründe für den Kurswechsel lagen in erwarteten Rationalisierungseffekten,  erhofft durch konzernweit einheitliche Lohn- und Gehaltsabwicklung,  Behebung von Integrationsproblemen, die in Folge der vorgängigen Dezentralisierungsbestrebungen entstanden waren. Eine stärkere Professionalisierung der Personalarbeit wurde angefordert. Das Motto war nun: Autonomie der Bereiche, allerdings in einem von der Zentrale auf der Basis professioneller Standards vorgegebenen und standardisierten Rahmen (Vgl. Bahnmüller/Fisecke, 2003).

Gesellschaftliche, wirtschaftliche, technologische Entwicklungen waren immer Anlässe und Ursachen der Veränderungsdynamiken und trugen das ihre dazu bei, eine Identitätskrise des Personalbereichs eher zu verstärken als abzumildern. Die Varianz der Entwicklungsmöglichkeiten war und ist nach wie vor groß und mit ihr die Orientierungsunsicherheit, wie sich HR als professioneller Akteur in Unternehmen zukünftig weiterentwickeln kann.

HR mal wieder neu denken

Jetzt ist es wieder soweit. Auf den Bereich Human Resources kommen erneut große Transformationsanforderungen zu. Die auf dem Kongress des Bundesverbandes der Personalmanager (BPM) im Juni 2017 vorgestellte Studie „Rethinking HR“¹ bestätigt dringenden Handlungsbedarf in vier Fokusbereichen:

  • die Gestaltung der gesamten Organisation,
  • das Design der Arbeit, um die Zusammenarbeit in Teams zu optimieren und deren Arbeitsergebnisse zu verbessern,
  • die nachhaltige Betreuung und Entwicklung von Mitarbeitern sowie
  • die digitale Gestaltung von HR – Prozessen.

„Personaler sind auf der Suche nach einer neuen Positionierung im Unternehmen. Eine Studie gibt erste Antworten, wohin die Reise gehen kann – und liefert ein erschreckendes Bild des Status quo im deutschen Personalmanagement, “ so berichtet der Harvard Business Manager in seiner Juli Ausgabe. In der Studie befragte Führungskräfte messen HR eher die Rolle als Dienstleister im Unternehmen zu und kritisieren das Personalmanagement als eine Abteilung, in der alle noch zu sehr in den eigenen Strukturen gefangen seien. Zwar seien einige Unternehmen schon mit großen HR Transformationen beschäftigt, aber es gebe auch „immer noch viele deutsche Eichen, die HR eher aus dem 20. Jahrhundert betreiben“ (Endres/Kestel 2017, S. 8 ff.). Als große Herausforderung betrachten die Personaler die effiziente und digitalisierte Gestaltung von HR – Prozessen.

Zukünftig wird digitalisiert werden, was Menschen gegenwärtig digitalisieren können. Diese Entwicklung wird vor HR nicht Halt machen. Die Automatisierung aller operativen HR-Prozesse, die digitale Analyse aller geschäftsrelevanten Informationen, State-of-the-Art-Rekrutierungsprozesse, um nur einige Anforderungen an HR aus einer langen Liste zu nennen (Kiefer, 2015.) Doch, so ein Studienergebnis, sehen die befragten Personalmanager eine Kluft zwischen aktuell großem Handlungsbedarf und fachlicher Kompetenz. „Lediglich 4 Prozent stufen die HR – Kompetenz ihres Unternehmens diesbezüglich als hoch oder sehr hoch ein“ (Endres/Kestel, 2017 S. 10). Wollen Personalabteilungen künstliche Intelligenz – Tools nutzen, die es ja schon gibt, müssen sie jetzt dringend digitale Expertisen aufbauen, so Prof. Christian Gärnter, Studienautor und Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Digitale Transformation und Leadership an der Quadriga Hochschule Berlin. Zudem wird der vermehrte Einsatz künstlicher Intelligenz und Robotik die Personalarbeit enorm vereinfachen. Dadurch werden Ressourcen für andere Aufgabenfelder und Arbeitsschwerpunkte frei werden. Nicht zuletzt wird mal wieder die Einflussnahme  von HR bei strategischen Unternehmensentscheidungen gefordert und zwar auf Augenhöhe mit anderen Vorstandsmitgliedern. „Das sind wichtige Maßnahmen, will man die Zukunftsfähigkeit sichern“ (Ebenda). Das sind in der Tat große Aufgaben, innerhalb derer weitere Herausforderungen gemanagt werden wollen. Zunehmend begegnen wir in unserer Arbeit als Organisations- und Personalentwickler in Unternehmen misslichen Reibungen zwischen wertschöpfenden Unternehmensbereichen und HR, die durch unterschiedlich beschleunigte Dynamiken erzeugt werden.

Die Kunst unterschiedliche Dynamiken auszubalancieren

Die wertschöpfenden Unternehmensbereiche haben eine Grenze zum Außen des Unternehmens, direkt zum Markt und zu den Kunden. Dort an der Peripherie sind Veränderungs- und Beschleunigungsimpulse, die von außen in die Arbeitswelt hineingesendet werden, besonders spürbar. „Wenn außen der Markt regiert, ist es innerhalb der Organisation die Peripherie, die Geld verdient, am Markt lernt, sich schnell und intelligent anpassen kann“ (Pfläging, 2016 S. 24). Industrie 4.0 fordert Tribut. Der Markt, die Mitbewerber, Qualitätsansprüche und Kundenbedürfnisse differenzieren sich zunehmend aus, Dienstleistungen und Service werden bis 2020 einen höheren Umsatzanteil ausmachen, der Druck auf die Margen im reinen Produktgeschäft wird steigen, wir werden „Operational Excellence durch digital veredelte Wertschöpfungsprozesse“ erfahren (Sames, 2016). Berufsbilder werden sich verändern. Einige Berufe werden nicht mehr gebraucht werden, andere werden „Upgrades“ benötigen, wieder andere Berufsbilder werden völlig neu entstehen.

Abbildung 1: Zentrum und Peripherie. Pfläging 2016

Viele Unternehmensbereiche an der Peripherie sind schon längst von der VUKA Welt² in Empfang genommen worden und agieren bereits mit der erforderlichen Agilität. Das Gelingen setzt enge und reibungsarme Zusammenarbeit mit HR voraus. Geht es doch um zügige und flexible Besetzungen von vakanten Stellen mit entsprechend qualifizierten Arbeitskräften, Verringerung von Abstimmungsbedarfen, Synchronisierung von Prozessen, eine Erweiterung von Handlungsoptionen am Standort Zukunft oder um Reduzierung von Komplexität an den Schnittstellen. Genau hier, an den Schnittstellen von HR und den Produktions- und Fertigungsbereichen entstehen die Reibungen, die bisweilen noch unnötig verschärft werden, weil sie in personalisierten Konflikten eskalieren. Es ist oft ein zähes Ringen um die Balance von Bewahren und Verändern. Die beschleunigte Dynamik an der Peripherie trifft nach wie vor auf die Eigenlogik und eine gewisse Systemträgheit im Zentrum der Unternehmen, in dem meistens Steuerungs- und Supportabteilungen, also auch HR angesiedelt sind. Dort herrscht eine andere, weniger von der Beschleunigung des Marktes betroffene Dynamik. Je mehr HR die Logik des eigenen Systems kultiviert, landläufig auch Silodenken genannt, desto vehementer werden bisweilen die Anforderungs- und Anpassungsanliegen der VUKA-Peripherie abgewehrt, innovative Denkprozesse zugunsten des Bewahrens eigener Strukturen und Prozesse verhindert. Brauchbar wäre, wenn HR permanent in die Organisation hineinhört, „also kontinuierlich Feedback zu Kultur, Zufriedenheit und Arbeitsweisen einholt und auch daran arbeitet, das Silodenken in der Organisation abzubauen“ (Endres/Kestel, 2017 S. 10). Dazu wird es auch weiterhin die Aufgabe von HR sein, selbst aus dem eigenen funktionalen Silo herauszutreten, um die Zusammenarbeit der Menschen, die agil ihre Aufgaben erfüllen, menschenorientiert und nicht nur prozessorientiert zu unterstützen.

Neu denken oder zielgerichtet handeln?

Aber wie kann der Weg in die Zukunft gelingen in einer Welt der Wechselhaftigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Vieldeutigkeit? Der Wunsch nach Rezepten, eindeutig definierten Entwicklungspfaden, nach exakten Prognosen und Prozessen ist verständlich, doch leider nicht realisierbar, noch nie realisierbar gewesen. Auch dann nicht, wenn digitalisierte Prozesse exakte Daten und Informationen liefern und analysieren. Auch wenn HR ausgestattet sein sollte mit größt-möglicher strategischer Einflussnahme, lassen sich Mitarbeitende, Teams, Bereiche und Unternehmen nicht nach kausalen Prinzipien steuern.

Aber was können Führung und Mitarbeitende von HR der anhaltenden Orientierungsunsicherheit in der Gegenwart entgegensetzen? Wir sind der festen Überzeugung: Die Anforderungen des maßgeblichen Kulturwandels sind alle schon mal gedacht worden. Für das Handeln ist auch fast alles bereits schon vorhanden.

  • Die Digitalisierungstechnologie und entsprechende Tools für HR sind zum Teil schon entwickelt. Sie zu implementieren, zu nutzen und weiterentwickeln, sind die Aufgaben.
  • Die Dezentralisierung von HR ist in Zeiten zunehmender Komplexität und geforderter Agilität sicher nutzbringender als jegliche Re-Zentralisierungstendenzen. Besonders dann, wenn Unternehmensbereiche, die eng am Markt arbeiten, unterschiedliche Dynamiken und damit unterschiedliche Bedarfe entwickeln. „Kopplung zwischen Peripherie und Zentrum muss entsprechend so gestaltet sein, dass es möglich ist, Marktdynamik aufzunehmen und zu gestalten“ (Pfläging, 2016 S. 24).
  • In der Gegenwart gibt es in Unternehmen oder Unternehmensbereichen ein sehr großes Bedürfnis nach Identität und Sinnhaftigkeit. Klare, attraktive Visionen, verbunden mit einer starken und positiven Unternehmenskultur können helfen, Konstanten zu setzten und Orientierung zu geben.
  • Reibungen und Konflikte an den Systemgrenzen von Unternehmensbereichen mit unterschiedlichen Arbeitslogiken waren immer schon vorhanden und sind bekanntlich unvermeidbar. Diese Schnittstellen brauchen seit jeher die Pflege einer besonders achtsamen und konsensualen Kommunikationskultur, um effektive Zusammenarbeit leisten zu können. Ständig in die Organisation hineinzuhören, ist dann sinnvoll, wenn mit den Akteuren der Peripherie gemeinsam Schlussfolgerungen gezogen werden, wie zu handeln ist, was es braucht. Es gilt sich der Zumutung zu stellen, den Austausch der Beobachtungen und die Entwicklung von Handlungsoptionen in Meetings zur Routine zu machen.
  • Beim Hineinhören in die Organisation sollte man sich primär dafür interessieren, „ob die Arbeit die Mitarbeiter beseelt und im Flow arbeiten lässt. (…) In einem von Missmut und Desinteresse geprägten Klima verstehen die Mitarbeiter inhaltlich das Ganze oder das Prinzip nicht, worauf es ankommt. Sie sollen nur quantitativ ihre Zahlen machen, aber das schaffen sie nicht, weil sie nicht wissen, was gute Arbeit bedeutet“ (Dueck, 2016 S. 21).
  • Es ist zu überlegen, was das Manifest für agile Softwareentwicklung mit der Arbeit im Personalbereich zu tun haben könnte:
    • Wir erschließen bessere Wege, Software zu entwickeln, indem wir es selbst tun und anderen dabei helfen. Durch diese Tätigkeit haben wir diese Werte zu schätzen gelernt:
      Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge
      Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation
      Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung
      Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines PlansDas heißt, obwohl wir die Werte auf der rechten Seite wichtig finden, schätzen wir die Werte auf der linken Seite höher ein. (Manifest für agile Softwareentwicklung, 2001)
  •  In diesem Sinn gilt Pragmatismus vor Prinzipientreue. In ebenfalls geregelter und regelmäßiger gemeinsamer Kommunikation wäre zu fragen: Was machen wir nächsten Monat genauso wie bisher, was machen wir – klugerweise- mal anders? „Geistige und emotionale Flexibilität und Wendigkeit werden immer wichtiger“ (Drath 2016, S. 420).
  • Unternehmensweit sind standardisierte Prozesse auf eben jene Flexibilität und Wendigkeit hin zu überprüfen. Wieviel Stabilität und Routinen brauchen wir? An welchen Stellen können wir uns auf Unterschiede einlassen? (relative Grundgehälter, relative variable Vergütung, Arbeitszeit- und Arbeitsplatzmodelle, sich selbst führende Teams etc.)
  • Es wäre für den Kulturwandel nützlich, die Führung von HR den neuen technologischen, vor allem aber sozialen und psychologischen Herausforderungen anzupassen.
  • Digital denken: Neue Digitaltechnologien vor dem Hintergrund der Frage, wie sich aus diesen größt möglicher Nutzen für das Unternehmen ziehen lässt, implementieren. Digitale Lösungswege gemeinsam mit unterschiedlichen Funktionsträgern anderer Unternehmensbereiche generieren.
  • Bescheiden sein: Sich als Moderator von Lösungsfindungen und Ideen zu verstehen, die von überall her, auch jenseits der Abteilungs- und Bereichsgrenzen, kommen können. Es ist besser nicht mehr wissen zu wollen als die Mitarbeitenden.
  • Handeln, statt lange zu planen: Unternehmen arbeiten zunehmend unter unsicheren, sich ständig ändernden Bedingungen. Lange Planungen sind obsolet. Arbeiten bedeutet für Führung „Ausprobieren, Experimentieren – und damit auch Scheitern, Lernen und Wieder-von-vorne-Anfangen“ (ManagerSeminare 2016, S.22). Die Entwicklung einer Fehlkultur, in der Fehler als Entwicklungschance begriffen werden.
  • Vertrauen in das Menschenbild der Theorie Y³, einer Theorie aus den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
  • Personalentwicklung, besonders bereits zentralisierte Führungskräfteentwicklungsprogramme, auf die aktuellen unterschiedlichen Bedarfe der Unternehmensbereiche ausrichten.
  • Workshops organisieren, in denen die Teilnehmenden Unterschiede im Unternehmen abbilden (unterschiedliche Funktionen, unterschiedliche Hierarchieebenen, weiblich, männlich, lange und kurze Betriebszugehörigkeit, Follower, Opposer etc.) in denen es ermöglicht wird, über das bisher Gemachte hinauszudenken.
  • Benchmarking betreiben, aus dem Unternehmen heraustreten und erkunden, wie andere aktuelle Herausforderungen meistern.
  • Und nicht zuletzt: Beweglich sein und (Mit)Gestaltungswillen zeigen und handeln trotz oder gerade wegen der schon lang währenden Orientierungsunsicherheit von HR.

Statt „Rethinking HR“ würde es vielleicht nützlich sein, eine klare Vision zu vereinbaren. Eine wirklich konkrete Vorstellung wie „In zehn Jahren landen wir auf dem Mond!“ (John F. Kennedy) Die klare Ausformulierung eines konkret angestrebten Zustands bewirkt, dass sich alle Energie von HR auf die Erreichung dieses ersehnten Zustands ausrichten kann. Die Konzentration des Handelns wird so auf das formulierte Ziel und nicht auf den Weg bzw. auf unterschiedliche Entwicklungspfade gerichtet. Wie könnte so ein Ziel lauten? Wir lehnen uns im ersten Schritt zur Zielformulierung gern einer Vision von Gunter Dueck an. Wie wäre es, wenn HR das Ziel hätte, sich selbst und die Führung in den Unternehmen zu befähigen, die „Mitarbeiter wie Freiwillige zu führen und zu First-Class-Leistungen bringen. (…) Freiwillige kommen aus freien Stücken, um etwas zu bewegen. (…) Sie setzen sich hohe Ziele, sind aber nicht gezwungen, sie zu erreichen. Sie wollen nicht unter Druck und Hast arbeiten, Sie nehmen sich Zeit. Das Ergebnis ihrer Arbeit soll sie befriedigen, ihre freiwillige Arbeit soll ihnen Freude bereiten. (…) Es ist eine große Kunst, Freiwillige so für ein Ziel zu erwärmen, dass sie wirklich für First-Class-Qualität brennen und auch nicht so schwankende Arbeitszeiten haben“ (Dueck, 2015 S. 321 f.).

In diesem visionären Sinn:  Let’s go!


1Für die Studie „Rethinking HR – Transforming Organization an People“ haben der Bundesverband der Personalmanager (BPM), die Beratungen Egon Zehnder und Boston Consulting Group (BCG) sowie die Quadriga Hochschule Berlin qualitative Interviews mit mehr als 40 Vorständen aus allen Funktionsbereichen sowie Personalchefs und Gewerkschaftern geführt. Darüber hinaus haben die Studienautoren über 1300 Personalmanager, von denen rund die Hälfte im BPM organisiert ist, zu ihrer gegenwärtigen Personalarbeit und zukünftigen Handlungsempfehlungen befragt.

https://www.quadriga-hochschule.com/aktuelles/forschungsprojekt-rethinking-hr-beschleunigte-arbeitswelt-setzt-personalmanager-unter

2VUKA ist ein Akronym, mit dem verschiedene Facetten der Unübersichtlichkeit der modernen Arbeitswelt umrissen werden: Die moderne Welt ist…

  • Volatil: Manche Entwicklungen unterliegen starken Schwankungen, sind wechselhaft
  • Unsicher: Wir verfügen nie über alle und selten über alle wesentlichen Informationen, um Situationen zu bewerten und Entscheidungen zu treffen.
  • Komplex: Wir haben es mit einer immer weiter steigenden Zahl von Einflussfaktoren und Wechselwirkungen zu tun.
  • Ambivalent: Was heute richtig war, kann morgen falsch und übermorgen wieder richtig oder völlig irrelevant sein – Vieldeutigkeit ist das Thema.

(Vgl. Lemoine, 2015)

3Anfang der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts machte Douglas MCGregor auf den Unterschied zweier Menschenbilder aufmerksam. Theorie X: Menschen arbeiten nur unter Druck, müssen angeleitet werden, suchen Pausen und Ablenkung – müssen von selbstmotivierten Managern geführt und kontrolliert werden Theorie Y: Menschen arbeiten gern, wollen wirksam sein, sich entwickeln. Manger unterstützen dabei (Empowerment, Coaching) und sind Vorbilder. (in Anlehnung an: Industrie 4.0 digitale Revolution eindrucksvoll erklärt – Gunter Dueck 2016)


Literatur

Bahnmüller Reinhard, Fisecker Christiane: Dezentralisierung, Vermarktlichung und Shareholderorientierung im Personalwesen. Ein Literaturbericht des Forschungsinstituts für Arbeit, Technik und Kultur e.V. an der Universität Tübingen 2003

BartscherThomas: Personalarbeit im Wandel. In: ProFirma 12, 2008 S.92-94

Dueck Gunter: Schwarmdumm. So blöd sind wir nur gemeinsam. Frankfurt 2015

Endres Helene, Kestel Christina: HR neu denken. In: Harvard Business Manager. Juli 2017 S. 8-10

Kiefer Andreas, Wullenkord Axel: Erfolgreiche Personalarbeit in Zeiten von Industrie 4.0. ADP Sonderdruck 2015G

Lemoine Jim, Eppler Martin J., Angemessen antworten, in: OrganisationsEntwicklung 4/2015, Seite 4-6

Lipkowski Sylvia: Leadership 4.0. Führen in der digitalen Welt. In: ManagerSeminare, September 2016 S. 18-24

Manifest für agile Softwareentwicklung. 2001 http://agilemanifesto.org/iso/de/manifesto.html

Pfläging Niels, Hermann Silke: Komplexithoden: Clevere Wege zur (Wieder)Blebung von Unternehmen und Arbeit in Komplexität. München 2016

Sames Gerrit: Industrie 4.0 und Digitalisierung – Was ändert sich für den Mittelstand? Vortrag auf dem 1. Kooperationsforum Waldeck Frankenberg. November 2016